Mittwoch, 28. November 2012

Vergaberecht - Schätzung des Auftragswertes

Die sorgfältige, objektive, realistische  und nachvollziehbare Schätzung des Auftragswertes ist von zentraler Bedeutung für die Vergabevorbereitung. Der öffentliche Auftraggeber muss das beabsichtigte Vergabeverfahren nur dann nach dem Vergaberecht gemäß GWB durchführen, falls die Schätzung des Auftragswertes gemäß § 3 VgV den Schwellenwert gemäß § 2 VgV erreicht oder übertrifft. Dabei werden alle Werte ohne Umsatzsteuer betrachtet.

Die Regeln wie die Auftragswerte zu schätzen sind, finden sich in § 3 VgV.  Die Schätzung des Auftragswertes ist sorgfältig und nachvollziehbar von der Vergabestelle zu dokumentieren. Bieter können auch für unterschwellige Vergabeverfahren ein Nachprüfungsverfahren mit der Behauptung einleiten, dass die Vergabestelle den Auftragswert absichtlich, mit dem Ziel den Schwellenwert zu unterschreiten, falsch geschätzt hat. Diese Behauptung muss aber stichhaltig sein.


Keine Manipulation des Schätzwertes!


§ 3  Abs. 2 VgV
Der Wert eines beabsichtigten Auftrages darf nicht in der Absicht geschätzt oder
aufgeteilt werden, ihn der Anwendung dieser Bestimmungen zu entziehen.


Die Vergabestelle muss eine realistische Prognose über den voraussichtlichen Auftragswert anstellen mit dem Ziel,  einen voraussichtlichen Preis für die in den Verdingungsunterlagen beschriebene Leistung  unter Wettbewerbsbedingungen zu ermitteln (Bundesgerichtshof, Urteil vom 27. November 2007  –  X ZR 18/07).


Zeitpunkt der Schätzung


Gemäß § 3 Abs 9 VgV ist der maßgebliche Zeitpunkt für die Schätzung des Auftragswertes der Tag, an dem die Bekanntmachung der beabsichtigten Auftragsvergabe abgesendet wird. Bei Auftragsvergaben ohne Bekanntmachung wie z. B. dem Verhandlungsverfahren wird als Zeitpunkt das nach außen wirkende Tätigwerden im Rahmen der geplanten Auftragsvergabe angesehen (Siehe hierzu Reidt; Stickler; Glahs. Vergaberecht Kommentar. 3. Auflage 2010, § 3 VgV Rn. 4 bzw. Byok/Jäger (Hrsg.) Kommentar zum Vergaberecht. 2. Aufl. 2005, Rn. 1498.).

§ 3  Abs. 9 VgV
Maßgeblicher Zeitpunkt für die Schätzung des Auftragswertes ist der Tag, an dem die Bekanntmachung der beabsichtigten Auftragsvergabe abgesendet oder das Vergabeverfahren auf andere Weise eingeleitet wird.

Das  OLG Düsseldorf kam bezüglich dem Zeitpunkt der Schätzung des Auftragwertes zu folgendem Beschluss (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 8. Mai 2002 - Verg 5/02, siehe hierzu VergabeR 2002, S. 665-668): "Der öffentliche Auftraggeber muss die für den Schwellenwert maßgebliche Schätzung des Auftragswerts schon bei der Einleitung des konkreten Vergabeverfahrens vornehmen und sie von wettbewerbswidrigen Einflüssen, z.B. von der Orientierung an einem bereits freihändig eingeholten Angebot eines interessierten Unternehmens, freihalten."


Objektivität der Schätzung


Der Auftragswert muss sorgfältig und nach objektiven und transparenten Kriterien geschätzt werden.

Das  OLG Düsseldorf kam bezüglich der Objektivität der Schätzung zu folgendem Beschluss (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 8. Mai 2002 - Verg 5/02, siehe hierzu VergabeR 2002, S. 665-668.): "Die Schätzung ist nach rein objektiven Kriterien durchzuführen und soll jenen Wert treffen, den ein umsichtiger und sachkundiger öffentlicher Auftraggeber nach sorgfältiger Prüfung des relevanten Marktsegments und auf dem Boden einer betriebswirtschaftlichen Finanzplanung veranschlagen würde."
              
Die Anforderungen an die Genauigkeit der Wertermittlung und der Dokumentation steigen, je mehr sich der Auftragswert dem Schwellenwert annähert. Dies ist in der Entscheidung vom OLG Celle zur Schätzung des Auftragswertes vom 12. Juli 2007 - 13 Verg 6/07 zu finden (Siehe hierzu VergabeR 2007, Seite 808 - 811):  "Wegen der Bedeutung des Schwellenwertes ist es erforderlich, dass die Vergabestelle die ordnungsgemäße Ermittlung des geschätzten Auftragswertes in einem Aktenvermerk festhält. Der Vermerk muss erkennen lassen, dass der Auftraggeber vor der Schätzung die benötigte Leistung zumindest in den wesentlichen Punkten festgelegt hat. Die Anforderungen an die Genauigkeit der Wertermittlung und der Dokumentation steigen, je mehr sich der Auftragswert dem Schwellenwert annähert."                                   

Aus dem Transparenzgebot ergibt sich eine Dokumentationspflicht, d. h. der Auftraggeber muss die vorgenommene Schätzung ordentlich und nachvollziehbar in der Vergabeakte zeitnah dokumentieren.

Das OLG Bremen kam diesbezüglich mit Entscheidung vom 26. Juni 2009 - Verg 3/2005 zu der Aussage: "Angesichts der Wichtigkeit der Festlegung des Auftragswertes für die Eröffnung des Primärrechtsschutzes unterliegen diese Angaben der aus dem Transparenzgebot folgenden Dokumentationspflicht und müssen notwendiger Bestandteil des Vergabevermerks sein."      
(Siehe hierzu VergabeR 2009, Seite 948 - 955.)  


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